„Verhandelt wird im Kopf des Gegenübers“
Als Profilerin schult sie Mitarbeitende von Polizei und Sicherheitsbehörden, beim VNW gibt sie regelmäßig Seminare zum Thema Verhandeln und Überzeugen: Kati Johannsen leitet gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Marcel Mende die Profacos® GmbH in Leinefelde-Worbis im Eichsfeld. Im Interview gibt sie Tipps für eine zielführende Gesprächsführung.
Ob als Polizist, Hausmeister oder Vermieterin: Gibt es allgemeingültige Kommunikationskniffe, um zu überzeugen und den eigenen Willen durchzusetzen?
Um gut verhandeln zu können, sollte man sich wie ein Schachbrett aufstellen. Denn wer fähig ist, aus allen Perspektiven auf ein Thema zu schauen, ist in der besten Verhandlungsposition. Ein Beispiel: Eine Wohnungsgenossenschaft vermietet Wohnungen. Unter den Mieterinnen und Mietern gibt es Konflikte. Sie beschweren sich bei der Wohnungsgenossenschaft und so wird diese in den Konflikt hineingezogen, obwohl sie eigentlich nur den Wohnraum zur Verfügung stellt. Mit dem Unternehmensmitarbeiter und dem Mieter treffen in einem Gespräch darüber dann zwei Menschen aufeinander, die beide ihre Persönlichkeitsstruktur, eigene Glaubenssätze und Triggerpunkte mitbringen. Wer erkennt, aus welcher Perspektive der andere ins Gespräch geht, liegt also klar im Vorteil und kann, um zu überzeugen, dort ansetzen.
Wie würde das in diesem Beispiel funktionieren?
Im besten Fall erkennt der Mitarbeiter die Persönlichkeitsstrukturen des Mieters, weil er darin geschult wurde. Beispielsweise die Baseline mit Mikro- und Makromimik, Mimik und Körpersprache, die ihm verraten: Steht er jemandem gegenüber, der sich wohlfühlt, oder ist der andere im Ausnahmezustand? Die Gedanken des Mitarbeiters sind die Schachzüge. Bei jedem Gedanken, der ihm kommt, überlegt er, ob er diesen Zug machen will, ob der Zug ihn näher ans Ziel – das Gewinnen – bringt. Wenn beispielsweise der Mieter aufgebracht ist und seine Wut an dem Mitarbeiter rauslässt, kommt in dem Mitarbeiter vermutlich der Gedanke hoch, zurückzuschnauzen. Denn niemand lässt sich gerne blöd anmachen. Doch dieser Zug wäre nicht zielführend. Stattdessen nimmt er das Gegenüber erst einmal richtig wahr und sieht: Der Mieter ist verärgert. Präsenz und Wahrnehmung schützen vor Fehlentscheidungen. Der Mieter ist eventuell getrieben von dem Glauben, dass ihn nie jemand richtig ernst nimmt. Da lässt sich ansetzen.
Wie geht es weiter?
Im zweiten Schritt geht es in die Deutung: Der Ärger des Mieters hat weder etwas mit dem Mitarbeiter noch mit dem Unternehmen zu tun. Wer das sauber auseinanderhalten kann, ist auch in der Lage, eine solche emotionale Situation positiv zu beeinflussen. In diesem Fall wäre das: Anerkennen der Wut und deeskalieren. Erst wenn das Gesprächsgegenüber nicht mehr in der totalen Emotionalität ist, ist Verhandlung möglich. Das machen wir Menschen oft verkehrt herum und fangen mit der Verhandlung an.
Vermutlich lässt sich das trainieren…
Wer weiß, welche Verhaltensweisen anderer einen triggern, ist im Vorteil. Und wenn ich beispielsweise schon genervt in ein Gespräch gehe, weil ich direkt davor eine Nachricht von meiner nervigen Schwiegermutter bekommen habe, ist das auch keine gute Voraussetzung. Es hilft, tief durchzuatmen und sich zu fokussieren, das kann man üben. Um sich abzugrenzen, hilft es zu verstehen, dass das Verhalten anderer selten etwas mit mir – sondern viel mehr mit denjenigen selbst – zu tun hat. Das Wichtigste in einer Verhandlung ist es, auch im Kopf des Gegenübers zu sein: Woher kommt dieser Mensch, was treibt ihn an, was will er? Das ist das Schachbrett. In gewisser Weise muss man dissoziieren und sich in der Situation selbst beobachten. In den Bauch atmen, bei sich und präsent im Hier und Jetzt sein. Verhandelt wird im Kopf des Gegenübers. Wenn ich den Glaubenssatz des Gegenübers kenne und weiß, wie der tickt, bin ich in der Lage, so zu verhandeln, dass ich zufrieden bin. Man kann nicht mit jedem Menschen gleich verhandeln – wer das versucht, verhandelt am Ende mit niemandem wirklich.
Das Interview mit Kati Johannsen führte Anne Klesse.